Am ersten Adventssonntag des Jahres 1961 wurde Helmut Haberkamm in dem Dorf Dachsbach im mittelfränkischen Aischgrund geboren. Aufgrund der Kindheit auf dem elterlichen Bauernhof wurde die Aischgründer Mundart dieser Karpfen- und Krengegend für ihn zur ersten, eigentlichen und wahrhaft eigentümlichen Sprache.
Mit zehn Jahren setzte das Herauswachsen ein: Gymnasium in Neustadt/Aisch, dann Zivildienst im Windsbacher Knabenchor-Internat und schließlich das Studium der Anglistik, Amerikanistik und Germanistik in Erlangen und Swansea (Wales). 1991 schloß die Doktorarbeit über Gegenwartsdichtung in Großbritannien diesen Lebensabschnitt ab. Anschließend war Haberkamm als Lehrer tätig, am Emil-von-Behring-Gymnasium in Spardorf (2001-2014) und am musischen Christian-Ernst-Gymnasium in Erlangen (1993-2001, seit 2019).

Frankn lichd nedd am Meer, mit diesem griffigen und programmatischen Titel seines Debütbandes betrat Haberkamm 1992 die literarische Szene in Franken - und feierte damit sofort einen erstaunlichen Erfolg. 1993 erhielt er prompt den Bayerischen Kulturförderpreis für seine neuartige Dialektpoesie, die - wie es in der Münchner Laudatio heißt - "von der Spannung zwischen authentischer Gestaltung von Sprache und Lebensform der Menschen des mittelfränkischen Aischgrundes und der strukturellen Vielschichtigkeit wie gedanklichen Offenheit moderner hochsprachlicher Lyrik" lebt. Mit den beiden Gedichtbänden Wie di erschdn Menschn (1993) und Leem aufm Babbier (1995) schloß Haberkamm seine Aischgrund-Trilogie ab.

Im Herbst 1999 brachte er einen neuen und völlig anders gestalteten Mundartlyrikband heraus: Lichd ab vom Schuß (ars vivendi verlag Cadolzburg). Die 49 Bildgedichte neben den 49 stimmungsvollen Schwarzweiß-Fotografien von Andreas Riedel stellen eine stille, poetische und sehr anrührende Hommage an das ländlich-bäuerliche Franken dar, das leise, doch unübersehbar im Verschwinden begriffen ist.
Im Herbst 2001 folgte der Nachfolgeband: Des sichd eich gleich (ars vivendi verlag Cadolzburg). In diesem Bild-und-Gedicht-Buch stehen sich Fotografie und Text in einem offeneren, subtileren Verhältnis gegenüber, so daß die verbindenden Querbezüge oft erst im Kopf des Lesers ihre Erhellung erfahren.

Weitere Gedichtbände erschienen seitdem: Uns schiggd der Himml (2010) und Englische Grüß (2017). Sie festigten Haberkamms Status als herausragenden Lyriker der fränkischen Gegenwartsliteratur.

Mit der ersten Folge (Gfärbda Spoozn) des Theaterprojektes Schellhammer, die im Herbst 1996 am Theater Erlangen uraufgeführt wurde (Hauptrolle: Winfried Wittkopp; Regie: Karin Drechsel), begann Haberkamm mit dem Stückeschreiben für hiesige Schaupieler. Während der gesamten Spielzeit 1996/97 stand das Stück als Dauerbrenner auf dem Erlanger Spielplan. Die zweite Folge (Fleischia Stiggle) lief in der Spielzeit 1997/98 ebenfalls mit sehr großem Erfolg am Theater Erlangen. Auch in diesen dramatischen Werken wird die regionale Mundart als literaturfähige Sprachform ernst genommen, wobei sie vielschichtige Bilder, Geschichten und Gefühle zu transportieren vermag.

Im Oktober 2001 feierte das fränkische Musikal No Woman, No Cry - Ka Weiber, ka Gschrei Premiere am Theater Erlangen (Garage), ein Mundartstück über die drei alten Freunde Festus, Limbo und Bugatti, die sich beim Wiedersehen nach vielen Jahren ihre Vorwürfe, Sehnsüchte und Erfahrungen mit Frauen vom Herzen reden und mit Hilfe ihrer gemeinsamen musikalischen Wurzeln wieder neu zueinander finden. Die drei Schauspieler und Musiker Stefan Kügel, Winfried Wittkopp und Stefan Nast-Kolb, die sich für diese freie Produktion zum eigens dafür gegründeten Theater KaNoma zusammenfanden, liefen in diesem Stück zu großer Form auf und begeistern ihr Publikum bei ihren Vorstellungen, sei es in Heppstädt, Erlangen, Dehnberg, Nürnberg oder bei einem der Gastspiele an anderen Orten.

Mit dem Bühnenrenner Die Schuddgogerer (Uraufführung am 20. Oktober 2005 im Theater Garage Erlangen) wurde die kreative Zusammenarbeit mit den beiden Schauspielern Winni Wittkopp und Stefan Kügel sowie dem Regisseur Jürg Schlachter fortgesetzt. Dieses "fränkische Bubenstück" präsentiert den Zuschauern zwei Schutt-Spezialisten vom Feinsten, "zwaa ganza Scheena": Rußer und Boggatsch. Zwei grundverschiedene Typen, der grüblerische Mumpfler und der praktische Bauchmensch, die sich angiften und aushorchen, dann wieder gegenseitig aufrichten und gemeinsam aufschwingen zu spitzbübischer Verspieltheit, hochgradiger Kunst und höherem Aberwitz. Zwei fulminante Verkörperer der fränkischen Seele und Sprache, die hier grandios aufspielen.

Stefan Kügel, der das Theater Kuckucksheim (www.kuckucksheim.de) in Heppstädt bei Adelsdorf betreibt, brachte im Mai 2003 Helmut Haberkamms fränkisches Nachtstück Die g'schenkte Stund als Uraufführung beim Internationalen Figurentheaterfestival in Erlangen auf die Bühne. Der virtuose Puppenspieler agiert dabei nicht nur als die Hauptfigur, der Galsterer, ein gewürfelter Totengräber und Sänger, sondern verkörpert auch noch fünf weitere Figuren, allesamt Verblichene, denen es für eine Stunde in einer Herbstnacht noch einmal vergönnt wird, in ihr Dorf zurückzukehren, um mit Hilfe des Galsterers ihren Seelenfrieden zu finden. So entsteht ein dichtes, poetisches Spiel aus Magie und Realismus, mit viel Musik und Lebensschicksalen (Kompositionen: Dietmar Staskowiak).

Im Oktober 2006 feierte Helmut Haberkamms "fränkisches Drama" Der Franken-
hasser
am Staatstheater Nürnberg Premiere und wurde vom Publikum mit großer Begeisterung aufgenommen (Regie: Alexander Schilling). Die Hauptfigur Manfred Eisenkolb (Michael Nowack), ein verbitterter Zimmermeister und zwiegespaltener Heimatdichter, der seiner Ehefrau Liselotte (Antje Cornelissen) und seinem Sohn (Philipp Weigand) arg zusetzt, soll überraschend in München vom Ministerpräsidenten feierlich mit dem großen Bayerischen Staatspreis geehrt werden. Als er mit einem Eklat droht, versuchen ihn der Pfarrer (Carlos Gundermann) und die Bürgermeisterin (Petra Auerochs) zur Vernunft zu bringen. Am Ende kommt es dann ganz anders als gedacht, aber es wird auf jeden Fall typisch fränkisch.

2008 standen zwei neue Theaterproduktionen von Helmut Haberkamm auf dem Programm von Bühnen in der Region: Die Fichtn im Weiher odder Vier Tempramente in voller Fahrt (Uraufführung am 9. Mai 2008, Regie: Jürg Schlachter) sowie Der Kaschberlesmoo (Uraufführung am 31. Oktober 2008 im Erlanger Theater Garage). Die Fichtn im Weiher ist eine "fränkische Kerwa-Komödie", die bei ihrer Premiere vom Publikum und von der Presse begeistert aufgenommen wurde. Stefan Kügel spielt dieses furiose Paradestück weiterhin in seinem Theater Kuckucksheim in Heppstädt. Für dieses bezaubernde, authentische Kleinod entstanden seitdem weitere sehr erfolgreiche Theaterstücke: Dem Shakespeare sei Sommernachtstraum (Theater Kuckucksheim, UA 2015), We Are the Champions – Mir sinn die Größdn (Theater Kuckucksheim, UA 2017) und Glopf an die Himmelsdür (UA 2019).

Der Kaschberlesmoo, so hieß ein "fränkisches Puppenstück", das am 31. Oktober 2008 am Erlanger Theater (Garage) uraufgeführt wurde. Auf die Bühne brachte es der Schauspieler und Puppenspieler Wolfgang Tietz vom Theater Regenbogen (Haidhof bei Gräfenberg), Regie führte Michael Blumenthal. Wie hier ein einziger "Spieler", der arg gebeutelte "Kaschberlesmoo", mehr als ein gutes Dutzend einprägsame Figuren, Gesichter, Stimmen und Echos zum Leben erweckte, das zog die Zuschauer in den Bann und ging ihnen mächtig unter die Haut. Ein ganz besonderes Kabinettstück in fränkischer Seelenpoesie.

Mit der CD Frankn lichd nedd am Meer... und mehr und mehr (ars vivendi verlag Cadolzburg) kam 1997 der erste Tonträger heraus, auf dem Helmut Haberkamm seine Mundartgedichte rezitiert, musikalisch unterstützt und umrahmt von Ralf Bauer und der Obersteinbacher Blaskapelle sowie den Jazzern Rudi Mahall, Henning Sieverts und John Schröder. Eine vollkommen andere Facette seines Schaffens präsentierte er auf der CD Komm, süßer Tod (ars vivendi verlag Cadolzburg), die im Herbst 2001 erschien und Mundarttexte zum Thema Tod und Sterben aus den verschiedenen
Gedichtbänden von Helmut Haberkamm sowie geistliche Lieder von Johann Sebastian Bach vereint, gesungen vom Nürnberger Tenor Reiner Geißdörfer und begleitet von Paul Sturm (Orgel, Cembalo) und Christina Hussong (Gambe): thematisch ein Unikum und künstlerisch ein Kleinod im fränkischen Mundartbereich.

Über viele Jahre hinweg hat Helmut Haberkamm englischsprachige Songs ins Fränkische übertragen, vor allem Lieder mit erzählerischen und poetischen Texten, von Bob Dylan, Bruce Springsteen, Joni Mitchell, Tom Waits, John Hiatt und vielen anderen. 111 dieser fränkischen Versionen sind im Buch Ka Weiber, ka Gschrei versammelt, das 2005 erschien. Auf der CD Fodd ieberm großn Wasser, die ebenfalls 2005 herauskam, werden 23 dieser Songs vorgestellt, rezitiert von Helmut Haberkamm und gesungen vom Musiker und Liedermacher Johann Müller aus dem Steigerwald. Mit ihrem Programm Songs & Dexde treten die beiden auch immer wieder auf den fränkischen Bühnen der Region erfolgreich auf.

Der Erlanger Schauspieler, Musiker, Maler und Allround-Künstler Winni Wittkopp brachte im Sommer 2003 die CD Barfißi auf der Herdplattn heraus, auf der er mehr als zwei Dutzend Mundarttexte von Helmut Haberkamm singt und spricht und auf stets originelle Weise musikalisch vertont (Birke + Sommer Verlagsgesellschaft Erlangen). Er erhielt dafür den AZ-Stern der Woche von der Nürnberger Abendzeitung. In Kooperation mit Winni Wittkopp und seinem musikalischen Partner, dem Pianisten Arne Unbehauen ("Mr. Fingers"), produzierte Haberkamm das äußerst
populäre Kleinkunstprogramm Gräschkurs Fränkisch (UA 2018), das einen vergnüglichen Durchgang durch die Eigenheiten des fränkischen Dialekts mit speziell dazu verfassten und von Winni Wittkopp vertonten Haberkamm-Texten bietet.

Gemeinsam mit den Pianisten und Komponisten Heinrich Hartl und Klaus Treuheit trat Haberkamm in Projekten an die Öffentlichkeit, die Musik und Mundartpoesie in einer reizvollen Symbiose miteinander kombinieren. Davon zeugt zum einen die Doppel-CD Gidderbarri (2012) mit vielen Haberkamm-Texten, von ihm selbst rezitiert sowie vertont bzw. gesungen von Heinrich Hartl, Stefan Grasse, Chrissie the Cat, Winni Wittkopp, Johann Müller, Wolfgang Buck, Wolfgang Tietz, Heinrich Filsner, Julia Kempken, Stefan Kügel, Verena Mörtel und Annette Lubosch. Zum anderen entstand zusammen mit Klaus Treuheit die außergewöhnliche CD Hinnerwidder & redur (2014), die zum ersten Mal Mundarttexte und Kirchenorgel zu einem reizvollen Live-Widerspiel zusammenführte.

Im Jahre 2007 erschienen drei neue Bücher mit Haberkamms künstlerischer Beteiligung. Der in Nürnberg lebende Maler Siegbert von Stockhausen veröffentlichte ein fränkisches Bilderbuch mit vielen farbsatten Aquarellen, die Orte von der Fränkischen Schweiz bis in den Aischgrund stimmungsvoll einfangen: Mein Franken. Ein Künstler und seine Landschaft (Koberger & Kompany Verlag Nürnberg). Dazu schrieb Helmut Haberkamm einige poetische Landschaftsbeschwörungen "zum darin Versenken und Versinken".

Der Nürnberger Maler und Grafiker Kurt Neubauer ist der Herausgeber und Illustrator des prachtvoll ausgestalteten Sammelbandes Stadtgeheimnisse, in dem eine Reihe fränkischer Autoren altbekannte sowie noch nie gehörte Nürnberger Sagen auf unterhaltsame Weise neu erzählen (W. Tümmels Verlag Nürnberg). Dazu steuerte Haberkamm zwei packende Geschichten bei, eine über Die Säulen der Kaiserkapelle und die andere, Der sagenhafte Jörg Graf, die das schier unglaubliche Leben jenes fränkischen Beutlergesellen, Kriegssöldners und Bänkelsängers schildert, der 1542 in Nürnberg starb, doch in Haberkamms Heimatdorf Dachsbach geboren worden war.

Licht-Blick. Kirchenbilder von Horst Schäfer, so heißt ein Bildband des renommierten Nürnberger Fotografen, der hier viele eindrucksvolle, raffiniert aufgebaute Schwarzweiß- Stimmungen aus fränkischen Kirchen versammelt, die den Betrachter anrühren und in Erstaunen versetzen (Erich Weiss Verlag Bamberg). Dazu steuert Helmut Haberkamm hintersinnige Mundartverse bei, die der Strenge der Bilder eine heitere und nachdenkliche Bodenständigkeit verleihen.

Siggsdersla (2015) und Dunnerholler (2017), so heißen zwei ironisch-humorvolle Fototextbücher mit "Bildli und Soocherer" von Andreas Riedel und Helmut Haberkamm, die es einzeln teilweise auch als Kunstpostkarten gibt. Für Buchprojekte arbeitete Helmut Haberkamm nicht nur mit Andreas Riedel zusammen, sondern auch mit einigen anderen Fotografen, so mit dem Nürnberger Kulturpreisträger Horst Schäfer (Fürther Freiheit. Ein fotografischer Spaziergang, 1999), dem international renommierten Naturfotografen Berndt Fischer (Naturerlebnis Franken. Streifzüge durch eine Seelenlandschaft, 2001) und dem Bamberger Erich Weiß (Mein Aischgrund. Rund um Aurach, Aisch und Reiche Ebrach, 2002).

Dachsbacher Wort-Schatz-Kästla, unter diesem Motto präsentiert Helmut Haberkamm gemeinsam mit dem Dachsbacher "Freibäcker" Arnd Erbel (www.erbelbrot.de) eine Serie ganz besonderer Bäcker-Tüten-Texte: eine Sammlung von "Mundartausdrück zum Merken und Benutzen", die allmählich fast schon in Vergessenheit zu geraten drohen, aber viel zu schön sind um sang- und klanglos verschütt zu gehen ("ficherland", "olber", "gäddli"). "Backwerk und Mundart vom Feinsten", so heißt es auf den einmaligen Tüten, die vom Fürther Grafiker Armin Stingl und der Nürnberger Illustratorin Irma Stolz künstlerisch gestaltet und veredelt werden.

Helmut Haberkamm tritt verstärkt als Erzähler in Erscheinung, wobei er auf diesem Felde das Standarddeutsche bevorzugt. Bereits 2014 kam sein Prosabuch Tödliches Franken heraus, das ebenso kuriose wie schwarzhumorige Kurztexte versammelt, die allesamt von merkwürdigen, aberwitzigen, tragikomischen, halb erfundenen, halb zugetragenen Todesfällen aus fränkischen Gefilden berichten.
Im August 2016 trat Haberkamm dann mit seinem ersten Roman an die Öffentlichkeit, Das Kaffeehaus im Aischgrund, eine historisch-fiktive Aus- und Rückwanderergeschichte, die im 19. Jahrhundert ihren Ausgang nimmt und in der das Regionale erweitert wird zu einem Panoptikum des Universalen, zu einer Utopie eines menschenfreundlichen, kultivierten Ortes in der rückständigen, bäuerlichen Provinz Frankens.
2019 präsentierte Haberkamm den Erzählungsband Die warme Stube der Kindheit, der ein Dutzend Geschichten aus 25 Jahren enthält, die Hälfte davon Erstveröffentlichungen. Einmal mehr wird auch in diesem Buch das Regionale zum Zentrum universaler Themen, der Mikrokosmos Franken zum Spiegel moderner Phänomene und Erfahrungen.

2018 erschien das literarische Sachbuch Kleine Sammlung fränkischer Dörfer mit 20 Essays zu 20 ausgewählten Orten mit weniger als 150 Einwohnern, illustriert und gestaltet von der Grafikerin Annalena Weber. Die Dörfer liegen in Unter-, Mittel- und Oberfranken, aber auch in Hohenlohe und in Südthüringen: wo man eben Fränkisch spricht und sich der Kulturregion Franken zugehörig fühlt. Bei ausgedehnten Besuchen, Gesprächen und Recherchen vor Ort wird der Frage nach dem konkreten Heimatgefühl und Gemeinschaftsgeist nachgegangen, den persönlichen Geschichten der Bewohner, den Licht- und Schattenseiten des ländlichen Lebens heute. Entstanden ist dabei ein einzigartiges Lesebuch über diese Region, die Menschen und ihr Selbstverständnis.